Vermögensschaden bei Investition in ein Bordell?

In einem Verfahren vor dem Landgericht L. wurde den Beschuldigten u.a. vorgeworfen, Unternehmensanteile an einem Bordell trotz Wertlosigkeit an einen Investor veräußert zu haben. Die Anklage bezifferte den dadurch entstandenen Vermögensschaden auf einen sechsstelligen Betrag.

Gemäß dem Auftrag des Landgerichts L. war der Wert des Unternehmens im Zeitpunkt des Anteilskaufs zu ermitteln.

Mit notariellem Vertrag erwarb Investor I Anteile am Stammkapital an der Eldorado GmbH. Für diesen Geschäftsanteil zahlte der Investor I einen Kaufpreis in sechsstelliger Höhe. Das Bordell Eldorado eröffnete dann kurze Zeit nach dem Kauf der Geschäftsanteile.

In Betriebswirtschaftslehre, Bewertungspraxis und Rechtsprechung haben sich allgemein anerkannte Bewertungsgrundsätze herausgebildet. Diese Grundsätze sind in dem Bewertungsstandard S 1 des IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland) zusammengefasst. Demnach bestimmt sich der Wert eines Unternehmens aus dem Nutzen, den dieses aufgrund seiner im Bewertungszeitpunkt vorhandenen Erfolgsfaktoren in Zukunft erwirtschaften kann. Im Rahmen des Ertragswertverfahrens wird der Unternehmenswert unmittelbar aus den Nettoeinnahmen der Anteilseigner abgeleitet. Diese Nettoeinnahmen ergeben sich aus den vom Unternehmen erwirtschafteten finanziellen Überschüssen. Die Ertragskraft bis zum Bewertungsstichtag dient dabei als Ausgangspunkt für die Prognose der zukünftigen finanziellen Überschüsse. Für die Abzinsung der finanziellen Überschüsse wird ein Kapitalisierungszinssatz verwendet, der die Rendite einer alternativen Anlage widerspiegelt. Die Prognose der künftigen finanziellen Überschüsse stellt dabei das Kernproblem der Unternehmensbewertung dar.

So auch im vorliegenden Fall. Denn für die Bewertung der Eldorado GmbH lagen keine verwertbaren Planzahlen vor. Aufgrund der Neueröffnung des Betriebes kurz nach dem Bewertungsstichtag standen auch keine verwertbaren Vergangenheitszahlen zur Verfügung. Somit war eine Bewertung der Unternehmensanteile anhand unternehmenseigener Zahlen kaum möglich.

Der IDW S 1 führt zu Beginn aus, dass jeder Bewertungsfall seine eigene Problemlösung erfordert und dass deshalb die Grundsätze des IDW S 1 nur den Rahmen festlegen, in dem die Lösung im Einzelfall liegen muss.

Aus diesem Grund wurde gutachterseits die Bewertung der Eldorado GmbH mit Hilfe der Zahlen der bereits etablierten Betriebe B1 und B2 der Eldorado-Gruppe durchgeführt. Die etablierten Betriebe B1 und B2 weisen den gleichen Geschäftsgegenstand und das gleiche Betreiberkonzept und somit eine hohe Vergleichbarkeit mit dem gutachterseits zu bewertenden Betrieb auf. Die Ergebnisse der etablierten Betriebe B1 und B2 konnten deshalb aus gutachterlicher Sicht als Schätzgrundlage für den zu bewertenden Betrieb herangezogen werden.

Die etablierten Unternehmen wiesen folgende Kennzahlen auf:

 

Kennzahlen der etablierten Unternehmen

Die mit xx ausgewiesenen Positionen spielten für die weiteren Berechnungen keine Rolle.

 

Die Zahlen der beiden etablierten Betriebe konnten jedoch aufgrund der unterschiedlichen Betriebsgrößen und aufgrund der unterschiedlichen Größe der Städte nicht 1:1 auf den zu bewertenden Betrieb übertragen werden.

Die Analyse der Ergebnisse der Eldorado GmbH der ersten drei Jahre zeigte, dass die Gesellschaft im dritten Jahr die Anlaufphase beendet hatte und dass die Zahlen des dritten Geschäftsjahres repräsentativ für die Zukunft waren. Auch der Vergleich mit den Kennzahlen der etablierten Vergleichsunternehmen stützte diese Feststellung.

Die Eldorado GmbH hatte sich somit spätestens im dritten Jahr am Markt etabliert. Die Geschäftszahlen des dritten Jahres der Eldorado GmbH wurden deshalb als Schätzgrundlage für einen normalen Geschäftsumfang herangezogen.

Im nächsten Arbeitsschritt wurde der nachhaltige Ertrag auf der Grundlage des Jahresergebnisses des dritten Geschäftsjahres der Eldorado GmbH unter Einbeziehung der Unternehmenssteuern ermittelt. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen persönlichen Steuern bei thesaurierten und ausgeschütteten Beträgen wurde schließlich mit Hilfe des gutachterseits bestimmten Kapitalisierungszinssatzes der Ertragswert der Eldorado GmbH berechnet.

Auf diese Weise konnte der Ertrags- und damit Unternehmenswert der Eldorado GmbH berechnet und mit dem vom Investor I bezahlten Kaufpreis verglichen werden.

Fazit:

Die Bewertung der Eldorado GmbH wich insbesondere im Hinblick auf das Stichtagsprinzip von den im IDW S 1 aufgeführten Grundsätzen zur Unternehmensbewertung ab, weil die verwendeten Zahlen des dritten Geschäftsjahres erst nach dem Bewertungsstichtag bekannt waren. Unter der Annahme, dass die Zahlen des dritten Geschäftsjahres ungefähr den Planzahlen und Planungsrechnungen entsprochen hätten, die ein ordentlicher Geschäftsmann vor dem Bewertungsstichtag unter Berücksichtigung der vorhandenen Räumlichkeiten und des Standorts erstellt hätte, wurde die gutachterliche Vorgehensweise von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung anerkannt.