Insolvenzantragspflicht in Pandemiezeiten

Mit Wirkung vom 19.02.2021 wurde das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 569) erneut geändert. Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist bis 30.04.2021 ausgesetzt, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. dazu Artikel 10 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256)).

Bereits zum 01.01.2021 traten aufgrund Artikel 5 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortent-wicklungsgesetzes (SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256) Änderungen verschiedener Einzelnormen der Insolvenzordnung in Kraft.

Im Hinblick auf die Insolvenzantragspflichten wirken sich diese Änderungen durch das SanInsFoG wie folgt aus:

Fristen:

War bislang nach § 15 InsO a.F. sowohl bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, als auch bei Eintritt der Überschuldung spätestens nach drei Wochen ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, wird nunmehr zwischen den jeweiligen Eröffnungsgründen differenziert:

  • Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ist weiterhin eine Frist von drei Wochen zu beachten.
  • Bei Eintritt der Überschuldung wurde diese Zeitspanne auf sechs Wochen erhöht
    (§ 15a Abs. 1 Satz 2 InsO).

 

Prognosezeiträume:

Erstmals werden in der Insolvenzordnung im Hinblick auf die drohende Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung Prognosezeiträume definiert.

Wird der Insolvenzantrag aufgrund einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gestellt, erstreckt sich der Prognosezeitraum demnach auf 24 Monate (§ 18 Abs. 2 InsO).

In Abgrenzung zur drohenden Zahlungsunfähigkeit muss die Fortführung des Unternehmens im Rahmen der Überschuldung in den nächsten 12 Monaten überwiegend wahrscheinlich sein
(§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO).

 

Haftung der antragspflichtigen Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person:

Die Haftung für Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und / oder Überschuldung wird nunmehr unmittelbar in der Insolvenzordnung unter § 15b InsO geregelt. Zuvor waren Geschäftsführer gemäß § 64 GmbHG zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, wenn diese nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geleistet wurden bzw. durfte der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach § 92 AktG bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine Zahlungen mehr leisten. 64 GmbHG ist aufgrund des Artikels 16 und § 92 AktG aufgrund des Artikels 15 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 BGBl. I S. 3256 m.W.v. 1. Januar 2021 entfallen.

Nach § 15b InsO dürfen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung weiterhin grundsätzlich keine Zahlungen vorgenommen werden, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 InsO). Nach Ablauf der Insolvenzantragsfristen sind Zahlungen in der Regel nicht mehr mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar (§ 15b Abs. 3 InsO). Liegen solche Zahlungen vor, sind die Antragspflichtigen der juristischen Person zur Erstattung verpflichtet (§ 15b Abs. 4 InsO).

 

Ergänzend zu den dauerhaften Änderungen der Einzelnormen der Insolvenzordnung nach Artikel 5 wurden mit Artikel 10 des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) weitere Maßnahmen hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht aufgrund der COVID-19-Pandemie beschlossen.

Insolvenzantragspflicht:

Im Zeitraum 01.03.2020 bis 30.09.2020 war die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ausgesetzt, sofern die Insolvenzreife auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhte. Dies wird vermutet, wenn bis 31.12.2019 keine Zahlungsunfähigkeit vorlag (§ 1 Abs. 1 COVInsAG).

Vom 01.10.2020 bis 31.12.2020 war die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages aufgrund des Eintritts der Überschuldung ausgesetzt (§ 1 Abs. 2 COVInsAG). Das heißt, bei Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit bestand im Zeitraum 01.10.2020 bis 31.12.2020 wieder die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages.

Aktuell ist die Insolvenzantragspflicht sowohl bei Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit als auch der Überschuldung im Zeitraum 01.01.2021 bis 30.04.2021 für solche Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum 01.11.2020 bis 28.02.2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben, bzw. antragsberechtigt waren und aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine Antragstellung innerhalb des genannten Zeitraumes nicht möglich war. Dies gilt jedoch nur für Unternehmen, die Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung haben bzw. bei denen die Auszahlung der Hilfeleistung ausreicht, um die Insolvenzreife zu beseitigen (§ 1 Abs. 3 COVInsAG).

 

Prognosezeiträume:

Abweichend zu § 19 Abs.2 Satz 1 InsO n.F., wonach sich der Prognosezeitraum bei Überschuldung auf 12 Monate erstreckt, ist nach § 4 Satz 1 COVInsAG im Jahr 2021 ein Prognosezeitraum von lediglich 4 Monaten zu Grunde zu legen, sofern die Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.

Dies ist anzunehmen, wenn der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, in dem letzten, vor dem 01.01.2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und der Umsatz der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 % eingebrochen ist (§ 4 Satz 2 COVInsAG).

 

Haftung:

Analog zu § 15b InsO gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, nach § 2 COVInsAG Abs. 1 Nr. 1 als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.

Darüber hinaus wurden in den folgenden Nr. 2 bis Nr. 5 des § 2 COVInsAG auch die Haftungsrisiken der Kreditgeber und Gläubiger (zeitlich befristet) abgemildert.

 

Fazit:

Bis 30.04.2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages sowohl für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit als auch der Überschuldung ausgesetzt, sofern im Zeitraum 01.11.2020 bis 28.02.2021 ein Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt wurde, bzw. die Antragsberechtigung vorlag und aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine Antragstellung innerhalb des genannten Zeitraumes nicht möglich war. Die in Aussicht stehende Hilfeleistung muss jedoch ausreichen, um die Insolvenzreife zu beseitigen.

Aufgrund der schleppenden Auszahlungen der Hilfeleistungen ist nicht auszuschließen, dass diese Regelung auch nach dem 30.04.2021 erneut zur Verlängerung gelangen könnte.