Bewertung eines Unternehmens der Medizinbranche unter Berücksichtigung der Patentsituation

Die Bewertung des Unternehmens wurde im Zuge eines Rechtsstreits notwendig. Das zu bewertende Unternehmen beschäftigt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb medizinischer Produkte und hat sich auf Hilfsmittel bei Schädigungen des Hörsinns spezialisiert.

Durch die langjährige Forschungs- und Entwicklungstätigkeit und die Zusammenarbeit mit führenden nationalen und internationalen Wissenschaftlern, Medizinern und Ingenieuren gelang es, zukunftsweisende Hilfsmittel zu fertigen, die zu bestmöglichen Hörergebnissen führen. Aus diesem Grund hielt die Gesellschaft zahlreiche Patente. Im Zuge der Bewertung des Unternehmens war zu prüfen, ob sich aus dem zeitlichen Auslaufen der Patente mittelfristig ein zu berücksichtigendes Risiko für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft ergibt.

Methodische Vorgehensweise Bewertung:

Aufgrund der gerichtlichen Vorgabe, wurde gutachterseits der Ertragswert der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen des IDW (IDW S 1) berechnet.

Die vorliegende Bewertung hatten wir als neutraler Gutachter erstellt und somit einen objektivierten Unternehmenswert ermittelt. Da zur Gutachtenerstellung keine verwertbare Planungsrechnung der Gesellschaft vorgelegt wurde, wurde der Ertragswert der Gesellschaft aus der Vergangenheitsanalyse abgeleitet.

 

Vergangenheitsanalyse 2011 bis 2015:

Die Analyse der Ertragslage der Gesellschaft der Jahre 2011 bis 2015 zeigte eine in diesen Jahren expandierende Gesellschaft. In diesen Geschäftsjahren konnten die Umsatzerlöse stetig gesteigert werden.

Auch die Bilanz der Gesellschaft spiegelte den Erfolg der Gesell­schaft in diesen Jahren wider. Die steigenden Umsätze und Jahresüberschüsse führten zu einem ansteigenden Eigenkapital.

 

Patentsituation zum 31.12.2015:

Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit des Unternehmens war der entscheidende Erfolgsfaktor für das Unternehmen.

Zur Prüfung der Auswirkungen auslaufender Patente auf die wirtschaftliche Entwicklung und den Unternehmenswert der Gesellschaft stand uns eine Aufstellung zur Patentsituation der Gesellschaft zum 31.12.2015 zur Verfügung. Das Dokument enthielt eine Auflistung der Produkte und deren Anteil an den Umsatzerlösen des Jahres 2015. Daneben war vermerkt, ob das jeweilige Produkt Patentschutz genießt und falls ja, war der Zeitpunkt des Ablaufs des Patentes aufgeführt (Medizintechnische Gutachten zu den Patenten lagen uns nicht vor).

Die Auswertung der Aufstellung führte zu folgendem Ergebnis:

Tabelle: Zusammenfassung der Patentsituation

Insgesamt wurden von der Gesellschaft zum relevanten Zeitpunkt 145 Patente gehalten.

Im Jahr 2015 wurden 52,1 % des Umsatzes mit Produkten getätigt, bei denen der Patentschutz bereits abgelaufen war.

Lediglich 9,4 % des Umsatzes entfallen auf Produkte deren Patentschutz frühestens 2024 abläuft.

Des Weiteren beträgt der Umsatzanteil der Produkte deren Patentschutz in den Jahren 2016 bis 2023 abläuft 38,5 %. Hiervon entfallen allein 20,9 % auf zwei Produkte, deren Patentschutz im Jahr 2019 abläuft.

Allerdings ist bemerkenswert, dass den vorgenannten auslaufenden Patenten laut der Aufstellung 60 patentierte Produkte gegenüberstehen, mit denen im Jahr 2015 (noch) kein Umsatz generiert wurde. Zwar kann gutachterseits anhand der Aktenlage nicht beurteilt werden, in welchem Ausmaß mit diesen patentierten Produkten in den Folgejahren Umsätze erzielt werden konnten. Es handelt sich aber größtenteils um „junge“ Produkte (38), deren Patentschutz erst in 14 bis 20 Jahren abläuft.

Darüber hinaus wurden die getätigten Ausgaben für Forschung- und Entwicklung in die Betrachtung mit einbezogen. Da diese in den relevanten Jahresabschlüssen 2011 bis 2015 nicht separat ausgewiesen wurden, haben wir stattdessen die aufgeführten Patentkosten als „Ergebnis“ der Forschungs- und Entwicklungsarbeit geprüft.

Im Ergebnis zeigten sich Kosten mit leicht steigender Tendenz von 2012 bis 2015. Betrachtet man die Patentkosten als Hinweis auf die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Gesellschaft, so lässt das auf eine Forschungs- und Entwicklungstätigkeit mit leicht steigender Tendenz schließen.

Fazit:

Den auslaufenden Patenten stehen „junge“ Produkte mit Patentschutz teilweise bis 2035 gegenüber. Der große Bestand an „jungen“ Patenten lässt auf eine rege Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Gesellschaft schließen.

Dies lässt sich auch aus der Betrachtung der gebuchten Patentkosten ableiten. Hier zeigen sich in den Jahren 2012 bis 2015 leicht steigende Ausgaben. Daraus kann ebenfalls eine kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Gesellschaft abgeleitet werden. Der Erfolg dieser Tätigkeit spiegelt sich in der Steigerung der Umsätze wider.

Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft auch in Zukunft erfolgreich sein wird.

Ertragswert:

Aufbauend auf der Vergangenheitsanalyse und der Prüfung der Patentsituation wurde der nachhaltige Ertrag der Gesellschaft errechnet.

Aufgrund der für das Unternehmen vorteilhaften demografischen Entwicklung und der damit verbundenen positiven Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zum Stichtag 31.12.2015 ist davon auszugehen, dass das Unternehmen in der Lage ist, den gutachterseits im Rahmen der Vergangenheitsbereinigung ermittelten nachhaltigen Ertrag langfristig zu erzielen.