Der Haushaltsführungsschaden

Definition

Von einem Haushaltsführungsschaden spricht man, wenn eine Person infolge eines Schadensereignisses den eigenen Haushalt nicht mehr führen bzw. die unterhaltsrechtlich geschuldete Hausarbeit nur noch teilweise oder gar nicht mehr erbringen kann.

Der Haushaltsführungsschaden betrifft gemäß § 843 Abs. 1 Alt. 1 BGB die Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, soweit der Schaden eine Einschränkung oder Aufhebung der Unterhaltsleistungen bedeutet. Er ist unter dem Gesichtspunkt der Vermehrung der Bedürfnisse nach § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB erstattungsfähig, soweit es um die eigene Bedarfsdeckung geht.

Parameter der Schadenshöhe

Die Höhe des Haushaltsführungsschadens hängt von folgenden Parametern ab:

  • dem Umfang der hypothetisch auszuführenden Arbeiten
  • dem Grad der Beeinträchtigung (ggf. zeitlich gestaffelt)
  • der Höhe der Verrechnungssätze

Umfang der hypothetisch auszuführenden Arbeiten

Dabei ist festzustellen, in welchem Umfang die geschädigte Person bestimmte Haushaltstätigkeiten ohne das Schadensereignis durchgeführt hätte bzw. durchführen würde. Entsprechende Erfahrungswerte aus der Vergangenheit können herangezogen werden, müssen jedoch an Veränderungen innerhalb des Haushaltes angepasst werden (z.B. Geburt eines Kindes, Umzug in eine kleinere Wohnung).

Zur Erfassung werden in der Literatur verschiedene Listen und Klassifizierungen als Hilfsmittel angeboten, wobei überwiegend zwischen Tätigkeiten (kochen, aufräumen, putzen, waschen, betreuen, einkaufen, u.a.) differenziert wird.

Grad der Beeinträchtigung

Im nächsten Schritt ist festzustellen, in welchem Umfang die geschädigte Person an der Ausführung der üblicherweise von ihr verrichteten Hausarbeit gehindert wird.

Im Zeitablauf wurden dazu zahlreiche Tabellen (z.B.: Reichenbach/Vogel, Münchner Modell, Schulz-Borck/Parday, Schah Sedi) entwickelt, die Orientierungswerte für die Beurteilung der Beeinträchtigung liefern. Letztlich bedarf es in vielen Fällen einer individuellen, medizinischen Beurteilung zur Feststellung der durch das Schadensereignis verursachten Beeinträchtigung (MdH = Minderung der Hausarbeitsfähigkeit).

Höhe der Verrechnungssätze

 

Tatsächlich angefallene Kosten

Wenn für die verletzte Person eine Haushaltshilfe eingestellt wird, sind die tatsächlich anfallenden Kosten zu erstatten. Dazu zählen der Bruttolohn sowie die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

Gemäß dem BGH entsprechen die tatsächlich angefallenen Kosten der Schadensabhilfe nicht dem Schaden, sondern stellen lediglich ein Indiz für den benötigten Bedarf dar (vgl. BGH v. 06.11.1973, BGHZ 61,349 = NJW 1974, 34). Somit werden die Kosten vom Gericht anerkannt, aber die Gegenseite kann Einwände gegen die Abrechnungen erheben, die dann zu prüfen sind.

Üblicherweise entspricht jedoch die Höhe des Haushaltsführungsschadens den Kosten, die bei Beauftragung einer Hilfe tatsächlich angefallen sind.

Sofern die Haushaltshilfe nur für bestimmte Tätigkeiten eingestellt wird, aber weitere unerledigte Arbeiten der verletzten Person anfallen, kann diesbezüglich zusätzlich auch ein fiktiver Schaden geltend gemacht werden.

Fiktiver Haushaltsführungsschaden

Wenn der Verletzte den Haushalt trotz der Einschränkungen selbst führt bzw. in dem Fall, dass der Haushalt durch Dritte (Angehörige, Freunde) unentgeltlich geführt wird, besteht dennoch Anspruch auf Schadenersatz. Er ergibt sich aus der Höhe der Kosten, die entstanden wären, wenn eine Person für die Haushaltsführung hätte bezahlt werden müssen. Es liegt ein sogenannter fiktiver Haushaltsführungsschaden vor, dessen Ersatz gemäß BGH auf eine Nettoschadenabrechnung (ohne Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und ohne Steuern) zu begrenzen ist.

Konkreter Stundenlohn

Zur Konkretisierung des Stundensatzes kann auf die üblichen Kosten einer Haushaltshilfe zurückgegriffen werden, die sich jedoch regional teils erheblich unterscheiden.

Seit 2019 liegt der gesetzliche Mindestlohn bei 9,19 EUR, seit 2020 bei 9,35 EUR, seit 2021 bei 9,60 EUR und seit 01.10.2022 bei 12,00 EUR.

Laut BGH-Rechtsprechung (vgl. BGH Urteil ZR VI 183/08) ist es nicht zu beanstanden, wenn auf BAT X (heute TVöD Bund) Bezug genommen wird, wonach im Jahre 2008 ein Stundenlohn von durchschnittlich 9,61 Euro für eine Haushaltshilfe zu bezahlen war. Im Jahre 2017 lag der durchschnittliche Satz bei 12,36 Euro. Das Landgericht Tübingen verweist auf § 21 JVEG, wonach Zeugen derzeit (Stand 01.01.2021) mit 17,00 Euro für eine fiktive Haushaltshilfe entschädigt werden müssen. Dem haben sich einige Landgerichte (z.B. LG Mainz) angeschlossen.

Aufgrund der aktuell (2023) bestehenden Arbeitsmarktsituation muss die Höhe des fiktiven Entgeltes hinterfragt werden. Tatsächlich sind allenfalls Putzhilfen für einen Stundenlohn von 14,00 EUR zu bekommen. Qualifizierte Haushälter bzw. Haushälterinnen können unter 15,00 EUR fast nicht mehr beschäftigt werden

Beispiel für eine konkrete Berechnung des Haushaltsführungsschadens

Im nachfolgend aufgeführten Beispiel wird davon ausgegangen, dass in dem vom Schadensereignis betroffenen Haushalt (nach individueller Erhebung) 42 Wochenstunden an Haushaltsarbeit anfallen.

Davon würde die vom Schadenereignis betroffene Person 28 Wochenstunden bewältigen. Aufgrund ihrer schadensbedingten Beeinträchtigung in Höhe von durchschnittlich 25% ist sie noch in der Lage, 21 Wochenstunden zu leisten. Es ist ihr damit ein zeitliches Defizit von 7 Wochenstunden entstanden, das ersatzfähig ist.

 

Bei einem Stundensatz von 15,- € ergibt sich ein monatlicher Schadenersatzbetrag in Höhe von 454,65 € (7 x 4,33 x 15).

 

Für Rückfragen und Anregungen stehen wir gerne zur Verfügung.

Von Stammkunden und Kundenstämmen – Bewertung eines Kundenstamms

Dass ein Unternehmen Produkte und Dienstleistungen an seine Kunden verkauft, liegt in der Natur des Wirtschaftens. Aber kann ein Unternehmen auch seine Kunden „verkaufen“? Und wenn ja, zu welchem Preis?

Handelsrechtlich zählt der Kundenstamm zu den selbst geschaffenen, immateriellen Wirtschaftsgütern und darf in der Bilanz nicht aktiviert werden. Aber ist er deshalb „wertlos“?

Tatsächlich stellt sich in der betriebswirtschaftlichen Praxis immer wieder die Frage, ob dem oft über Jahre aufgebauten Kundenstamm ein eigenständiger Wert beizumessen ist. Schließlich wurde dafür, dass Kunden die angebotenen Produkte beziehen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, nicht selten viel Zeit und Geld investiert.

Wir zeigen aus der gutachterlichen Praxis, worauf bei der Bewertung eines Kundenstamms zu achten ist.

Definition Kundenstamm

In der Theorie bildet die Gesamtmenge ehemaliger, aktueller und je nach Definition auch zukünftiger Kunden einer Unternehmung den Kundenstamm.

Im Rahmen der Bewertung des Kundenstamms sind jedoch nur die Kunden von Relevanz, mit denen zum Bewertungsstichtag tatsächlich eine regelmäßige und aktive Geschäftsbeziehung besteht.

Bewertungsmethoden

Für die Bewertung eines Kundenstamms (oder allgemein gesprochen der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter) stehen verschiedene in Theorie und Praxis entwickelte Ansätze zur Verfügung. Man unterscheidet zwischen der kostenorientierten, der erfolgsorientierten und der marktorientierten Methode.

Kostenorientierte Methode:

Der Wert des Kundenstamms wird auf der Grundlage der Kosten, die für den Aufbau eines vergleichbaren Kundenstamms anfallen würden, ermittelt.

Erfolgsorientierte Methode:

Bei dieser Vorgehensweise wird der Wert des Kundenstamms auf der Grundlage der zukünftigen finanziellen Vorteile, die mit dem zum Stichtag bestehenden Kundenstamm aller Voraussicht nach erreicht werden können, berechnet. Hierbei werden zunächst die kundenspezifischen Überschüsse ermittelt und mit einem Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abgezinst.

Marktorientierte Methode:

Bei der marktorientierten Methode wird der Preis des Kundenstamms aus der Analyse der Preise abgeleitet, die auf einem Markt für vergleichbare Wirtschaftsgüter gezahlt werden.

In Deutschland existiert jedoch kein Markt (Börse, Handelsplatz), auf dem Kundenstämme gehandelt werden. Insofern liegen kaum Vergleichswerte vor, mit deren Hilfe man einen entsprechenden Kundenstamm bewerten könnte.

In der Praxis finden somit insbesondere die kostenorientierte Methode sowie die erfolgsorientierte Methode Anwendung. Nachfolgend werden wir uns mit der erfolgsorientierten Methode auseinandersetzen. Sie spielt in der Praxis die wichtigste Rolle.

 

Erfolgsorientierte Bewertung eines Kundenstamms

 

Voraussetzungen

Eine Bewertung des Kundenstamms nach der erfolgsorientierten Methode setzt voraus, dass kundenindividuelle Angaben zu

  • Umsätzen
  • Verkaufskonditionen
  • Materialeinsatz
  • Herstellungskosten

in einem ausreichenden Detailierungsgrad und einer verwertbaren Qualität vorliegen.

 

Nutzungsdauer

Ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Bewertung des Kundenstamms ist ferner die Nutzungsdauer bzw. die durchschnittliche Kundenbindung. Die Annahme einer unendlich langen Geschäftsbeziehung ist nicht sachgerecht, denn bestehende Kunden gehen verloren und neue Kunden, zu denen bislang keine Beziehung bestand, werden hinzugewonnen.

Dabei wird die Nutzungsdauer von nachfolgenden Faktoren geprägt:

  • Vertragslaufzeiten und erwartete Vertragsverlängerungen
  • rechtliche, regulatorische, wirtschaftliche und technologische Aspekte
  • Handlungen von Wettbewerbern und potenziellen Konkurrenten
  • demografische/biometrische Aspekte der bestehenden Kundenstruktur

Bei der Bewertung eines Kundenstamms sind folglich auch Annahmen zur voraussichtlichen Dauer der Kundenbeziehungen zu treffen und zu begründen.

 

Bewertung des Kundenstamms

 

Erlöse und Roherträge

Zunächst wird anhand der vorliegenden Angaben festgestellt, welche kundenspezifischen Umsatzerlöse durchschnittlich in einem Geschäftsjahr erzielt werden können. Hiervon sind ggf. weitere kundenindividuellen Konditionen (z.B. Boni, Naturalrabatte) in Abzug zu bringen.

Zur Ermittlung der kundenspezifischen Roherträge sind im nächsten Schritt die Materialkosten (im Dienstleistungsbereich können diese auch sehr gering sein) von den Erlösen zu subtrahieren.

Das Ergebnis dieser ersten Berechnung sind die mit dem Kundenstamm erzielbaren durchschnittlichen Jahresroherträge.

Idealerweise können entsprechende Angaben dem Warenwirtschaftssystem des Unternehmens entnommen werden. Ansonsten müssen die Daten manuell aus den vorliegenden Unterlagen extrahiert werden.

Deckungsbeiträge

Von den Roherträgen abzuziehen sind die weiteren variablen Kosten, die bei der Herstellung und Veräußerung der Produkte oder den erbrachten Dienstleistungen anfallen. Dazu zählen bspw. Personalkosten sowie Aufwendungen für Verpackung, Versand und Transport.

Berücksichtigung der Kundenbindung (vgl. Nutzungsdauer)

Im Rahmen einer Analyse der Kundenlisten im Mehrjahresvergleich kann die Fluktuation im Bereich des Kundenstamms und somit auch die durchschnittliche Dauer der Geschäftsbeziehungen zwischen Kunden und Unternehmen ermittelt werden.

Berechnung des Kundenstamm-Wertes

Ausgehend von dem jährlich erzielbaren Deckungsbeitrag wird unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kundenbindung für einen entsprechend langen Zeitraum der jährlich zu erwartende Deckungsbeitrag pro Kunde ermittelt.

Diese zukünftigen Erträge werden mit einem für den zu bewertenden Kundenstamm relevanten Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abgezinst.

In den nachfolgenden Tabellen wird die Bewertung eines Kundenstamms anhand der erfolgsorientierten Methode mit Hilfe eines vereinfachten Beispiels dargestellt.

 

 

Das Beispiel zeigt, dass der Firma pro Jahr durchschnittlich 20% ihrer Kunden verloren gegangen sind. Es kann folglich von einer Nutzungsdauer des Kundenstamms von 5 Jahren ausgegangen werden.

 

 

Die Bewertung des Kundenstamms auf der Grundlage der Roherträge, variablen Kosten und dem anzuwendenden Kapitalisierungszinssatz führt in diesem vereinfachten Beispiel zu einem Wertansatz für den Kundenstamm in Höhe von rund 1,226 Mio. €.

Für Rückfragen und Anregungen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Verdienstausfallschaden – Steuereffekte bei Ersatzzahlungen

Wird ein Erwerbstätiger (selbständig oder nicht selbständig) unverschuldet durch ein Schadensereignis vorübergehend oder dauerhaft an der Ausübung seiner Tätigkeit gehindert, hat er gegenüber dem Schädiger Anspruch auf Erstattung seines entgangenen Gewinns (bei selbständig Tätigen) bzw. seines entgangenen Verdienstes (bei nicht selbständig Tätigen).

Als entgangen gilt der Betrag, der dem Geschädigten nach Abzug von Steuern und etwaigen Sozialversicherungsbeiträgen sowie berufsbedingter Aufwendungen tatsächlich zugeflossen wäre.

Es kann folglich zwischen einem Bruttoschaden (entgangene Einkünfte vor Berücksichtigung etwaiger Abzüge) und einem Nettoschaden (entgangene Einkünfte nach Steuern, Sozialabgaben und weiteren Vorteilsausgleichen) unterschieden werden.

Schadenersatzzahlungen auf Verdienstausfallschäden sind ihrerseits steuerpflichtig (§ 24 EStG). Der Geschädigte hat gegenüber dem Schädiger Anspruch darauf, dass dieser ihm auch die auf die Schadenersatzzahlung anfallende Steuer ersetzt.

Die Höhe dieser Steuern ist von der Höhe des zu versteuernden Einkommens (inkl. der Schadenersatzzahlung), der Art der Veranlagung und des geltenden Steuerrechts im Jahr der Zahlung des Ersatzbetrags abhängig.

Da sich die persönliche Einkommenssituation des Geschädigten sowie die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen im Zeitablauf verändern und zwischen dem Schadensereignis und der Zahlung des Ersatzbetrages nicht selten Jahre vergehen, führt in der Regel weder die Zahlung des Bruttoschadens noch des Nettoschadens zum Ausgleich des entgangenen Gewinns bzw. Verdienstes.

Dazu ein Beispiel aus der Praxis der Sachverständigentätigkeit:

Fallbeispiel

Ein angestellter Mitarbeiter (ledig, keine Kinder) wird durch einen Verkehrsunfall im Jahr 2020 so schwer verletzt, dass er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann und fortan Erwerbsminderungsrente bezieht.

Die Einkommenssituation im Referenzjahr (hypothetische Einkünfte ohne den Unfall) stellte sich wie folgt dar:

Berufsbedingte Aufwendungen (Fahrten zur Arbeitsstelle) fallen in Höhe von 1.000,- € an, sodass sich der Nettoschaden auf 39.200,- € beläuft.

Die Einkommenssituation im Jahr nach dem Unfall sieht wie folgt aus:

Der Bruttoschaden beträgt somit 40.000,- € (65.000 – 25.000). Der Nettoschaden beläuft sich unter Berücksichtigung der eingesparten Fahrtkosten auf 18.142,- € (40.200 – 21.058 – 1.000).

Da schadensrechtlich der Nettoschaden als zu erstattender Betrag anzusehen ist, kommt es in der Regulierungspraxis häufig (zunächst) zur Zahlung des Nettoschadens. Im vorliegenden Beispiel führt dies zu folgenden Einkünften des Geschädigten.

Durch die Besteuerung der Ersatzzahlung fließen dem Geschädigten nur 34.074,- € zu. Sein tatsächlicher Nettoverdienstausfall wurde jedoch mit 39.200,- € ermittelt. Er erhält 5.126,- € (39.200 – 34.074) zu wenig.

Würde statt des Nettoschadens der Bruttoschaden ersetzt, ergäben sich folgende Werte für die Einkünfte des Geschädigten.

Die Zahlung des Bruttoschadens würde zu einer Überzahlung in Höhe von 8.747,- € (47.947 – 39.200) führen.

Sie ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass auf die Schadenersatzzahlung keine Sozialabgaben zu entrichten sind.

Eine Simulationsrechnung auf Basis der zugrundeliegenden steuerrelevanten Aspekte ergibt, dass eine Zahlung von rund 26.000,- € zu einem Ausgleich des Nettoschadens führen würde.

Fazit

Durch die Besteuerung der Ersatzleistung von Verdienstausfallschäden führt die Zahlung des Nettoschadens regelmäßig zu einem zu geringen Erstattungsbetrag; es sei denn, es fällt keine Steuer an.

Die Zahlung des Bruttobetrages führt dagegen zur Überzahlung des Verdienstausfallschadens. Ausnahmen dazu sind theoretisch bei angestellten, nicht sozialversicherungspflichtigen GmbH-Geschäftsführern möglich.

Da die Determinanten zur Ermittlung der Einkommensteuer erst zum jeweiligen Jahresende feststehen, kann der konkrete Ersatzbetrag erst nachträglich berechnet werden. Dies führt im Folgejahr meist zu Nachzahlungen, die ihrerseits auch wieder der Einkommensteuer unterliegen usw. usw.. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Endlosbesteuerung.

Es ist daher sinnvoll, den Zahlbetrag vorab mit Hilfe einer Simulationsrechnung zu ermitteln. Dies schließt zwar Nachberechnungen nicht aus, führt in der Praxis aber zu deutlich geringeren Nachzahlungen.

 

 

 

Verdienstausfall eines niedergelassenen Arztes

In diesem Beitrag aus der Gutachterpraxis gehen wir auf besondere Aspekte im Rahmen der Ermittlung eines Verdienstausfallschadens eines niedergelassenen Arztes ein.

In Folge eines Verkehrsunfalls im Frühjahr des Jahres 2018 konnte ein Orthopäde (nachfolgend Dr. O) seine Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis mehrere Wochen nicht ausüben.

Bei einem Jahresumsatz von annähernd 1 Mio. Euro sind ihm trotz eines relativ kurzen Ausfallzeitraumes erhebliche Einnahmen und damit Teile seines Verdienstes entgangen.

Worauf bei der Ermittlung des Verdienstausfalls besonders zu achten war und wie dabei vorgegangen wurde, erfahren Sie in der nachfolgenden Zusammenfassung des Wirtschaftsgutachtens.

 

Die Ausgangslage

Herr Dr. O hatte gemeinsam mit zwei Kollegen zu Beginn des Unfalljahres eine ärztliche Praxisgemeinschaft gegründet. Innerhalb dieser Praxisgemeinschaft führten die Ärzte jeweils Einzelpraxen i.S.d. Berufs- und Vertragsarztrechts.

Die Praxisgemeinschaft selbst wurde als Kostengemeinschaft geführt, in der mit wenigen Ausnahmen alle anfallenden Kosten verbucht wurden.

 

Betriebswirtschaftlich führte diese Regelung dazu, dass jeder Arzt seine Leistungen individuell abrechnete und in einer eigenen Gesellschaft verbuchte. In diesen Gesellschaften wurden auch die in sehr geringem Umfang anfallenden spezifischen Kosten der Einzelpraxen ausgewiesen.

Der weit überwiegende Teil der Kosten (Personal, Miete, Ausstattung, Praxismaterial, …) wurde in der Praxisgemeinschaft gebucht und von den Gesellschaftern unabhängig von den jeweiligen Erlösen zu gleichen Teilen getragen.

Ein noch junges Unternehmen

Die Praxisgemeinschaft war erst zu Beginn des Unfalljahres gegründet worden. Referenzwerte aus Vorjahren waren daher nicht vorhanden. Aus der Geschäftsentwicklung in den Folgejahren war ersichtlich, dass die Praxisgemeinschaft zunächst eine Anlaufphase mit niedrigeren Patientenzahlen und damit verbundenen niedrigeren Erlösen durchlief.

Insgesamt kam es in der Folgezeit zu deutlich steigenden Erlösen in allen Tätigkeitsfeldern. Die Werte der Folgejahre können daher nur eingeschränkt als Referenzwerte für die Ermittlung der entgangenen Erlöse herangezogen werden. Sie dienen jedoch der Plausibilisierung hypothetischer Hochrechnungen der Werte für das II. Quartal 2018.

Die „Tücken“ der Einnahmen-Überschussrechnung

Die Buchführung der Einzelpraxen und der Praxisgemeinschaft erfolgte nach der Einnahmenüberschussrechnung, die in § 4 Absatz 3 EStG (sog. 4/3 – Rechnung) geregelt wird. Danach können Steuerpflichtige ihre Gewinne unter bestimmten Voraussetzungen durch die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben ermitteln.

Bei dieser Methode der Gewinnermittlung gilt das Zuflussprinzip. In einem Wirtschaftsjahr werden nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt, die im betreffenden Zeitraum tatsächlich gezahlt werden. Bestandsveränderungen sowie Forderungen und Verbindlichkeiten bleiben unberücksichtigt. Eine periodengerechte Gewinnermittlung ist somit nicht gegeben.

Erlöse werden nicht zwingend dem Zeitraum zugeordnet, in dem die Leistung erbracht wurde, sondern dem Zeitraum, in dem die Zahlung der Rechnung erfolgte.

Ausfallzeiten spiegeln sich daher nicht zwangsläufig in den Erlösen der betroffenen Perioden wieder, sondern können zeitversetzt in späteren Perioden zum Ausweis von Einnahmenausfällen führen.

Die Abrechnungsweise der Kassenärztlichen Vereinigung

Die Verschiebung des Ausweises der Einnahmeausfälle in der Buchhaltung wird durch die gängige Abrechnungspraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (kurz: KV) noch verstärkt.

Die KV zahlt zunächst monatliche pauschale Abschläge und erstellt nachträglich eine Quartalsabrechnung. Dabei kam es im vorliegenden Fall aufgrund der positiven Geschäftsentwicklung regelmäßig zu Nachzahlungen, die mit ca. viermonatiger Verzögerung zur Auszahlung gelangten. Die Nachzahlung für das I. Quartal 2018 erfolgte im Juli. Die Zahlung wurde entsprechend der Regelungen in § 4 EStG, Absatz 3 an diesem Tag gebucht und führte zum Ausweis von Erlösen im III. Quartal, während die dazugehörigen Leistungen im ersten Quartal erbracht worden waren. Die Nachzahlung für das vom Unfall betroffene II. Quartal erfolgte im Oktober und floss buchhalterisch somit ins IV. Quartal. Dieser Effekt musste im Rahmen der Begutachtung berücksichtigt werden.

Die vertragliche Regelung in der Praxisgemeinschaft

Die drei Ärzte hatten sich vertraglich darauf verständigt, die Kosten der Praxisgemeinschaft zu gleichen Teilen unabhängig vom jeweiligen Leistungsumfang aufzuteilen.

Diese Regelung führte dazu, dass Herr Dr. O auch während seiner unfallbedingten Ausfallzeit ein Drittel der Kosten der Praxisgemeinschaft tragen musste. Kosteneinsparungen infolge entgangener Erlöse traten daher in der Praxisgemeinschaft für ihn nicht ein.

Ermittlung der entgangenen Erlöse

Aufgrund der Abrechnungsweise der KV musste auf eine Analyse der Quartale der jeweiligen Jahre abgestellt werden. Dazu wurden zunächst die Nachzahlungen der KV den Quartalen zugeordnet, in denen auch die Leistung erbracht worden war. Die zeitlichen Verschiebungen in der Buchhaltung infolge der 4/3-Rechnung wurden dadurch weitgehend eliminiert und ein leistungsbezogener Ausweis der Erlöse erreicht.

Danach wurde ein Referenzzeitraum festgelegt, der am ehesten den (hypothetischen) Geschäftsverlauf ohne den Unfall widerspiegelte. Da keine Vorjahreswerte existierten, wurde auf die Werte des III. Quartals 2018 zurückgegriffen, das sich im vorliegenden Fall als geeigneter Vergleichszeitraum erwies. Er lag nahe am Unfallzeitpunkt, war aber von diesem und der im Zeitablauf einsetzenden positiven Geschäftsentwicklung nicht beeinflusst.

Die um den „Nachzahlungseffekt“ der KV bereinigten Erlöse des III. Quartals wurden durch die Anzahl der Arbeitstage dividiert und der so ermittelte Wert mit der Anzahl der unfallbedingten Ausfalltage multipliziert. Dies ergab einen rechnerischen Wert für die entgangenen Erlöse.

Entgangene Erlöse: 218.000 € / 66 Arbeitstage x 18 Ausfalltage = 59.454,54 €

Hätte Dr. O an den unfallbedingten Ausfalltagen Erlöse wie im Durchschnitt des III. Quartals erzielt, hätte er rund 59.500,- € zusätzliche Einnahmen generiert.

Die Summe der entgangenen Erlöse und der Ist-Werte des II. Quartals aus dem nicht vom Unfall betroffenen Zeitraum ergab einen hypothetischen Wert (ohne Unfall) für die Erlöse des II. Quartals 2018 in Höhe von rund 275.500,- €.

Im Vergleich mit den Quartals-Erlösen in den Folgejahren erwies sich der so ermittelte hypothetische Wert des II. Quartals 2018 jedoch als überdurchschnittlich hoch.

 

War es realistisch davon auszugehen, dass Herr Dr. O bereits im zweiten Quartal nach der Praxisgründung den höchsten Quartalserlös der ersten drei Jahre erzielen konnte?

Die Nachholbarkeit von Behandlungen – Szenariorechnungen

Eine mögliche Erklärung für diesen überdurchschnittlichen Quartalswert wurde gutachterseits darin gesehen, dass Herr Dr. O einen Teil der Behandlungen noch im II. Quartal hatte nachholen können.

Aufgrund der noch nicht gegebenen Vollauslastung der Praxis und der Möglichkeit zumindest geplante, nicht akute Behandlungen grundsätzlich nachholen zu können, war diese Erklärung durchaus plausibel.

Um die Möglichkeit der Nachholbarkeit in die Berechnungen einfließen zu lassen, wurden alternative Szenarien definiert, in denen von unterschiedlichen Anteilen nachgeholter Behandlungen ausgegangen wurde.

Hatte Dr. O bspw. ein Viertel der Behandlungen nachholen können, wären ihm statt 59.500,- € lediglich 44.625,- € an Erlösen entgangen. Konnte die Hälfte der Behandlungen nachgeholt werden, wären Herrn Dr. O noch 29.750,- € an Erlösen entgangen.

Deckungsbeiträge und Steuern

Von den entgangenen Erlösen waren in weiteren Berechnungen die Kosten in Abzug zu bringen, die Herr Dr. O hätte aufbringen müssen, um diese Erlöse zu realisieren.

Aufgrund der vertraglichen Konstellation der Praxisgemeinschaft musste Herr Dr. O auch in der unfallbedingten Ausfallzeit ein Drittel der Kosten der Praxisgemeinschaft tragen. Sie fielen folglich unabhängig vom Schadensereignis an und waren bei der Berechnung des Verdienstausfalls nicht zu berücksichtigen. Lediglich die Kosten seiner Einzelpraxis wurden bei der Berechnung der entgangenen Deckungsbeiträge berücksichtigt.

Aus der Subtraktion

„entgangene Erlöse – variable Kosten der Einzelpraxis“

ergab sich der entgangene Deckungsbeitrag.

Im letzten Schritt wurden die zusätzlichen Steuern ermittelt, die Herr Dr. O auf den entgangenen Deckungsbeitrag hätte zahlen müssen. Dabei wurde das tatsächliche zu versteuernde Einkommen (kurz: zvE) von Herrn Dr. O im Schadensjahr um den entgangenen Deckungsbeitrag erhöht und die Einkommensteuer für das so ermittelte hypothetische zvE neu berechnet. Die Differenz aus der tatsächlichen und der hypothetischen Einkommensteuer entsprach der zusätzlichen Steuer auf den entgangenen Deckungsbeitrag.

Entsprechend der Überlegung, alternative Szenarien zu betrachten, wurden die Berechnungen für alle Varianten durchgeführt.

Steuern auf Schadenersatzzahlungen

Da Schadensersatzzahlungen für Verdienstausfälle ebenfalls der Besteuerung unterliegen, sind die darauf entfallenden Steuern zu berücksichtigen. Eine Schadenersatzzahlung in Höhe von bspw. 40.000,- € führt bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 35% zu einem Mittelzufluss in Höhe von 26.000,- €.

Damit dem Geschädigten der ermittelte (Netto-) Verdienstausfall auch tatsächlich zufließt, muss die Schadensersatzzahlung um den anfallenden Steuerbetrag erhöht werden, der sich zum Zeitpunkt der Zahlung ergibt.

Aufgrund des progressiven Verlaufs der Einkommensteuer und zahlreicher Determinanten bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ist die Berechnung des vom Schädiger zu zahlenden Brutto-Betrags nicht immer trivial.

Hinzu kommt, dass aufgrund der Verfahrensdauer zwischen dem Unfallereignis und der Schadenersatzzahlung möglicherweise mehrere Jahre liegen können und sich die steuerliche Situation des Geschädigten erheblich verändert haben kann. Eine Schadensregulierung auf Basis von Bruttobeträgen ist daher nicht sachgerecht.

Bei einem durchschnittlichen Steuersatz zum Zeitpunkt der Schadenersatzzahlung in Höhe von 35% müsste der Schädiger Herrn Dr. O 61.538,- € brutto zahlen, damit ihm die ermittelten 40.000,- € netto zufließen (61.538 x 65% = 40.000).

Wenn sich der durchschnittliche Steuersatz auf 25% reduziert hätte, würde eine Bruttozahlung in Höhe von 53.333,- € ausreichen, damit Herrn Dr. O der ermittelte Nettoverdienstausfall in Höhe von 40.000,- auch tatsächlich zufließt.

Dieses vereinfachte Beispiel verdeutlicht die Auswirkung einer veränderten steuerlichen Situation des Geschädigten auf die Höhe des zu zahlenden Bruttobetrages. Ein Thema, das wir im Rahmen eines weiteren Beitrags aufgreifen werden.

 

 

 

 

 

 

Prüfung des internen Kontrollsystems einer Genossenschaft infolge einer Millionen-Unterschlagung

In einer Einkaufsgenossenschaft mit mehreren Betriebsstätten kam es zu Untreuehandlungen des Buchhalters. Über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren wurden von ihm Unterschlagungen in Millionenhöhe begangen.

Im Verfahren gegen den Vorstandsvorsitzenden auf Verletzung seiner Sorgfaltspflichten wurden wir vom Gericht beauftragt zu prüfen, ob der geschäftsführende Vorstand im Hinblick auf die Einführung und Funktionsfähigkeit des Internen Kontrollsystems, nachfolgend „IKS“ genannt, der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters Genüge getan hatte.

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Entgangener Gewinn bei Stilllegung eines Betriebsteils

Berücksichtigung von fixen Kosten und von Remanenzkosten bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns

Keine Berücksichtigung von Fixkosten bei kurzen Schadenszeiträumen

Vielfach bezieht sich die Ermittlung des entgangenen Gewinns auf einen zeitlich begrenzten Ausfall der Arbeitskraft eines Geschädigten oder den vorübergehenden Ausfall von Produktionsmitteln.

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COVID-19: Verhinderung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit durch Stundungsvereinbarungen

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist absehbar, dass aufgrund der Corona-Pandemie nach Jahren des Wachstums sowohl in Deutschland als auch weltweit mit einer einschneidenden Rezession zu rechnen ist.

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Betrügerisch erwirkte Zahlungen im Rahmen der Zahlungsunfähigkeitsprüfung

Berücksichtigung von betrügerisch erwirkten Zahlungen im Rahmen der Zahlungsunfähigkeitsprüfung in einem Strafverfahren

Der 3. Strafsenat des BGH hat u.a. mit Urteil vom 23.07.2015 (AZ: 3 StR 518/14) entschieden, dass bei betrügerisch erwirkten Zahlungen bereits mit der Zahlung fällige Rückzahlungsansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 31 BGB in entsprechender Höhe entstehen.

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Vermögensschaden bei Investition in ein Bordell?

In einem Verfahren vor dem Landgericht L. wurde den Beschuldigten u.a. vorgeworfen, Unternehmensanteile an einem Bordell trotz Wertlosigkeit an einen Investor veräußert zu haben. Die Anklage bezifferte den dadurch entstandenen Vermögensschaden auf einen sechsstelligen Betrag.

Gemäß dem Auftrag des Landgerichts L. war der Wert des Unternehmens im Zeitpunkt des Anteilskaufs zu ermitteln.

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Verdienstausfallschaden eines Beamten

Verdienstausfallschaden eines Beamten – Determinanten der Ermittlung des fiktiven zu versteuernden Einkommens.

In einem Rechtsstreit vor dem Landgericht in Z. wurde unser Büro beauftragt, den Verdienstausfall eines Polizisten zu berechnen. Dieser war in Ausübung seiner dienstlichen Aufgaben so schwer verletzt worden, dass er vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde.

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