Ermittlung der Höhe des Defizits einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sowie die Gründe der Entstehung

In einem Ermittlungsverfahren wegen Haushaltsuntreue zu Lasten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hatten wir den Auftrag erhalten, die Höhe des über einen Zeitraum von mehreren Jahren entstandenen Haushaltsdefizits zu ermitteln.  Außerdem war festzustellen, wie das Defizit entstanden ist und welche Steuerungsmöglichkeiten zur Vermeidung des Defizits die Beschuldigten hatten.

Um festzustellen, wie hoch das Defizit ist und wie es entstanden ist, wurde für die verfahrensrelevanten Jahre eine Geldflussrechnung erstellt, in der alle Ein- und Auszahlungen aufgelistet und eine genaue Zuordnung der Zahlungen zu einzelnen Haushaltspositionen vorgenommen wurde. Dadurch bestand die Möglichkeit, die Herkunft und die Verwendung der Mittel nachzuvollziehen.

Anschließend wurden die tatsächlichen Ein- und Auszahlungen den in den Haushaltsplänen aufgeführten Einnahmen und Ausgaben (Soll – Ist – Vergleich) gegenübergestellt und überprüft, ob und in welcher Höhe es in den einzelnen Jahren zu Haushaltsüberschreitungen bzw. -abweichungen gekommen war.

Anhand des Soll-Ist-Vergleichs waren teilweise erhebliche Abweichungen der Ist-Beträge von den Soll-Beträgen lt. Haushaltsplänen festzustellen. Einnahmen und Ausgaben aus projektbezogenen Zuschüssen wurden z.B. überhaupt nicht aufgeführt. Dies führte dazu, dass hinsichtlich der Verbindlichkeiten aus erhaltenen, aber noch nicht weitergeleiteten Zuschüssen (sog. Altverbindlichkeiten) in den Haushaltsplänen keine Ausgaben zum Ausgleich dieser Altverbindlichkeiten gegenüber den Zuschussberechtigten berücksichtigt wurden.

Die Nichtauszahlung von Zuschüssen im laufenden Jahr hat zwar eine liquiditätsmäßige Entlastung dieses Haushaltes zur Folge, führt jedoch zu einer zusätzlichen Belastung der zukünftigen Haushalte (Aufbau von Verbindlichkeiten), da diese noch an die jeweiligen Zuschussberechtigten auszuzahlen sind.

Im verfahrensrelevanten Zeitraum wurde lt. Geldflussrechnung ein kumuliertes Haushaltsdefizit in Höhe von rd. € 2 Mio. festgestellt.

Zur Ermittlung der Höhe des Defizits zum relevanten Stichtag am Ende der betrachteten Periode war jedoch nicht nur das Haushaltsdefizit gemäß Geldflussrechnung zu betrachten, sondern vielmehr auch der Stand der Verbindlichkeiten sowie der Forderungen.

Denn durch die Nichtzahlung fälliger Verbindlichkeiten oder durch den Aufbau neuer Verbindlichkeiten erreicht man eine Entlastung der Liquidität des aktuellen Haushalts und es werden eigentlich eintretende Haushaltsdefizite zunächst vermindert oder gar verhindert.

Umgekehrt werden Überschüsse vermindert oder Defizite erhöht, wenn z.B. (ungeplant) Altverbindlichkeiten zurückgeführt werden oder fällige Forderungen durch Debitoren nicht planmäßig ausgeglichen werden. Dadurch wird die Liquidität des aktuellen Haushaltsjahres belastet – Überschüsse fallen geringer aus oder Defizite erhöhen sich.

Am Ende der zu betrachtenden Periode konnte unter Zugrundelegung des Haushaltsdefizits lt. Geldflussrechnung und des Standes der Verbindlichkeiten sowie der Forderungen ein Defizit in zweistelliger Millionenhöhe festgestellt werden.

Durch Vergleich des Defizits am Anfang mit dem Defizit am Ende der zu betrachtenden Periode war festzustellen, dass auf den relevanten Zeitraum ein Defizit von rd. € 9 Mio. entfiel.

Anhand der erstellten Geldflussrechnung sowie der Gegenüberstellung der tatsächlichen Ein- und Auszahlungen zu den in den Haushaltsplänen aufgeführten Einnahmen und Ausgaben (Soll – Ist – Vergleich) konnten die wesentlichen Positionen festgestellt werden, die für die Entstehung der Defizite ursächlich waren. Hierbei handelte es sich insbesondere um Mehrausgaben für einen eigenständigen, buchhalterisch gesondert geführten Teilbereich, steigende Personalkosten, steigende Darlehensverbindlichkeiten und demnach steigende Tilgungsraten sowie sinkende Einnahmen aus der Haupteinnahmequelle.

Außerdem konnten die konkreten Einzelhandlungen sowie Unterlassungen ermittelt und herausgearbeitet werden, die zu den Haushaltsüberschreitungen führten. Zu den wichtigsten Einzelhandlungen und Unterlassungen zählten:

  • Planungsfehler durch Doppelberücksichtigung von Zuschüssen in den Haushaltsplänen
  • nicht korrekte Darstellung / Berücksichtigung von Darlehensaufnahmen und Rückführungen in den Haushaltsplänen
  • Schaden in Millionenhöhe aufgrund der im Rahmen einer Darlehensumschuldung zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung in beträchtlicher Höhe, da die mit dem neuen Darlehen eingesparten Zinsen weniger als 50 % der zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung abdeckten
  • Auszahlung von zweckgebundenen Darlehen zur Gebäudesanierung auf das laufende Geschäftskonto und anschließender Verbrauch für laufende Ausgaben
  • Auszahlung von zweckgebundenen Zuschüssen auf das laufende Geschäftskonto und anschließender Verbrauch für laufende Ausgaben – sofern diese nicht direkt verausgabt wurden
  • zu niedriger Ansatz der geplanten Ausgaben in den Haushaltsplänen
  • Haushaltsergebnisse der Vorjahre wurden nicht bzw. in falscher Höhe im jeweiligen Haushaltsplan berücksichtigt

 

Die festgestellten Haushaltsüberschreitungen hätten durch folgende Steuerungsmaßnahmen vermieden werden können:

  • Einrichtung von separaten Sonderkonten für Zuschüsse
  • Berücksichtigung von korrekten Vorjahresergebnissen in allen Haushaltsplänen
  • Vollständige Berücksichtigung der Darlehensaufnahmen und deren Rückführungen in den Haushaltsplänen
  • Einrichtung eines separaten Sonderkontos für das zweckgebundene Darlehen zur Gebäudesanierung
  • frühzeitiger Anstoß von Einsparmaßnahmen (wie beispielsweise Personalabbau, Outsourcing verschiedener Teilbereiche, Vermarktung von Liegenschaften)